Als Selbstständiger bist Du für Deine soziale Absicherung selbst verantwortlich. Einkommenseinbußen durch Krankheit, Unfall oder Berufsunfähigkeit führen sonst schnell zur Bedrohung Deiner beruflichen und privaten Existenz. Wer sich nicht rechtzeitig ausreichend absichert, dem droht so schnell der soziale Abstieg. Sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, die vor Eintritt in das Rentenalter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, erhalten als Ersatz für ihr Einkommen die Erwerbsminderungsrente. Diese Absicherung gilt aber nur für Arbeitnehmer, die über einen bestimmten Zeitraum auch Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Als Selbstständiger hast Du die Wahl, Dich privat zu versichern oder freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen. In diesem Fall erwirbst Du als Selbstständiger ebenfalls Anspruch auf den finanziellen Ausgleich.
Erwerbsminderungsrente
Wer aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr arbeiten kann, erhält unter bestimmten Voraussetzungen eine Erwerbsminderungsrente von der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Erwerbsminderungsrente hat 2001 die bis dahin geltende Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) und die Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) abgelöst. Die damalige Erwerbsunfähigkeitsrente erhielten Versicherte, die gar nicht mehr in der Lage waren, zu arbeiten. Die Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) ergänzte das Einkommen von Arbeitnehmern, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihrem Beruf nur noch zu weniger als 50 Prozent nachgehen konnten.
Der Anspruch auf Erwerbsminderung wird unterteilt in:
- Teilweise Erwerbsminderung: Wer in der Lage ist, täglich drei bis sechs Stunden zu arbeiten, hat Anspruch auf 50 Prozent der Erwerbsminderungsrente.
- Volle Erwerbsminderung: Wer weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann, erhält die volle Erwerbsminderungsrente.
Die Höhe der Zahlung ist abhängig von den Rentenansprüchen, die Du als Versicherter im Laufe Deines Berufslebens durch die Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenkasse erworben hat.
Voraussetzungen für den Bezug der Erwerbsminderungsrente
Bei einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente prüft die Rentenversicherung zunächst, ob sie Dir mithilfe von medizinischen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen helfen kann, Deinen Beruf oder eine andere, zumutbare Arbeit wieder auszuführen. Tritt mit den Maßnahmen keine Besserung ein, und Du kannst Deiner Arbeit nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nachgehen, stellt die Rentenversicherung fest, ob eine teilweise oder die volle Erwerbsminderung für Dich infrage kommt.
Weitere Voraussetzung für den Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente ist, dass Du in den letzten fünf Jahren mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hast und Du vor Antragstellung mindestens fünf Jahre versichert gewesen bist. Zeiträume, in denen Du Kranken- oder Arbeitslosengeld bezogen hast sowie Kindererziehungszeiten, Militär- und Zivildienst kannst Du Dir unter bestimmten Voraussetzungen als Pflichtbeitragszeiten anrechnen lassen.
Die Ausnahme von der Regel tritt bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten ein: Hier spielen Beitrags- oder Wartezeiten keine Rolle, sodass beispielsweise Berufsanfänger, die noch nicht ausreichend Beiträge eingezahlt haben, ebenfalls abgesichert sind.
Wer in seinem Beruf nicht mehr arbeiten kann, dafür aber durchaus eine andere Tätigkeit ausführen könnte, hat keinen Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente. Ausnahme sind Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden. Bei ihnen spielt im Gegensatz zu späteren Jahrgängen der erlernte bzw. zuletzt dauerhaft ausgeübte Beruf eine wesentliche Rolle zur Feststellung ihres Anspruchs. Sie erhalten die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn Sie in ihrem entsprechenden Beruf weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können. Obwohl die Rentenversicherung prüft, ob andere Tätigkeiten zumutbar wären, hat sie nicht das Recht, Versicherte auf jede beliebige Tätigkeit zu verweisen.
Erwerbsminderungsrente für Selbstständige
Freiberufler, die über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert sind, fallen ebenfalls unter die gesetzliche Rentenversicherungspflicht. Wie in einem Angestelltenverhältnis wird der Rentenbeitrag anteilig gezahlt: zur Hälfte von der KSK und zur Hälfte vom Versicherten. Handwerker und Hausgewerbetreibende, Selbstständige in Bildung und Pflege, Seelotsen, Küstenschiffer und Küstenfischer sind ebenfalls versicherungspflichtig. Für alle anderen Selbstständigen besteht keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie haben die Wahl, sich privat zu versichern oder freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen. Wer freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzahlt, sichert sich als Selbstständiger einen Anspruch auf Altersvorsorge und auf die Erwerbsminderungsrente.
Da Du als Selbstständiger mit wenigen Ausnahmen keinen Arbeitgeberzuschuss zu Deinen Versicherungsbeiträgen erhältst, sind die Beitragszahlungen im Vergleich zu den anteiligen Beiträgen von Angestellten allerdings recht hoch. Als Selbstständiger hast Du die Möglichkeit, unabhängig von Deinem tatsächlichen Gehalt den sogenannten Regelbeitrag zu zahlen. Dieser ist deutlich geringer und Du erwirbst damit auch lediglich einen Rentenanspruch in Höhe eines Durchschnittsverdieners. Der volle Regelbeitrag liegt im Jahr 2020 bei monatlich 592,41 Euro in den alten und 559,86 Euro in den neuen Bundesländern. Zur weiteren finanziellen Entlastung kannst Du in den ersten drei Jahren Deiner Selbstständigkeit auch nur den halben Regelsatz einzahlen. Dieser liegt 2020 bei monatlich 296,21 Euro in den alten und 279,93 Euro in den neuen Bundesländern.
Um Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zu haben, musst Du als Selbstständiger dieselben Voraussetzungen wie die Pflicht-Beitragszahler erfüllen.
Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit
Wer als Selbstständiger oder Freiberufler nicht unter die Sozialversicherungspflicht fällt und auch nicht freiwillig in die gesetzliche Renten- und Krankenkasse einzahlt, muss seine Vorsorge komplett selbst organisieren. Neben der einer privaten Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung solltest Du Dich auch gegen Unfälle sowie Erwerbs- und Berufsunfähigkeit absichern. Kannst Du Dein Unternehmen aufgrund eines Unfalls oder wegen Krankheit nicht weiter führen, droht Dir ohne einen ausreichenden Versicherungsschutz schnell der soziale Abstieg.
Achte beim Abschluss einer entsprechenden Versicherung auf den Unterschied zwischen der Erwerbsunfähigkeit und der Berufsunfähigkeit. Du giltst als erwerbsunfähig, wenn Du aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr arbeiten kannst. Wer nicht mehr in seinem Beruf arbeiten, aber in anderen Bereich durchaus noch eingesetzt werden kann, gilt als berufsunfähig. Hier ist das Verweisungsrecht von großer Bedeutung. Ist dieses Recht im Rahmen Deiner Berufsunfähigkeitsversicherung ausgenommen, bist Du verpflichtet, andere zumutbare Tätigkeiten auszuüben, bevor Du Leistungen aus Deinem Vertrag erhältst.
Wie berechnet sich die Höhe der Erwerbsminderungsrente?
Die Höhe Deiner Erwerbsminderungsrente hängt davon ab, wie lange Du Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt hast, wie viele Entgeltpunkte Du im Rahmen der gesetzlichen Versicherungspflicht gesammelt hast und wann Deine reguläre Altersrente eintritt.
Die Formel, um die monatliche Höhe der Erwerbsminderungsrente zu berechnen, lautet:
Erwerbsminderung = Entgeltpunkte x Zugangsfaktor x Rentenwert (Wert der Entgeltpunkte in Euro) x Rentenartfaktor
Pro Kalenderjahr erwirbst Du einen Entgeltpunkt, wenn Du die vollen Beiträge auf ein durchschnittliches Einkommen zahlst. Der Zugangsfaktor schrumpft mit jedem Monat, den Du vorzeitig in Rente gehst, um 0,3 Prozent. Der Rentenartfaktor bewirkt, dass Renten mit Lohnersatzfunktion wie die Altersrente trotz gleicher Beitragsleistungen höher sind als Renten mit Lohnzuschussfunktion wie die Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung sowie Renten mit Unterhaltsersatzfunktion wie die Witwenrente.
Zusätzliche private Vorsorge
Laut der Deutschen Rentenversicherung liegt die Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst und zwischen 25 bis 45 Versicherungsjahren monatlich zwischen 800 und 1.441 Euro in den alten Bundesländern und zwischen 767 und 1.381 Euro in den neuen Bundesländern.
Wer eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht, darf sein Einkommen bis zur Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro pro Jahr aufstocken. Als Hinzuverdienst gilt der Bruttoverdienst aus abhängiger Beschäftigung, steuerrechtliche Gewinne (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit und aus Land- und Forstwirtschaft), vergleichbares Einkommen wie Abgeordnetenbezüge sowie bestimmte Sozialleistungen. Bei Überschreiten dieser Grenze wird der darüber liegende Betrag auf Deine Rente angerechnet. Auch bei teilweiser Erwerbsminderung gilt ebenfalls eine jährliche Hinzuverdienstgrenze, die allerdings grundsätzlich individuell berechnet wird. Sie orientiert sich an Deinem höchsten beitragspflichtigen Jahreseinkommen der letzten 15 Jahre.
Die Höhe Deines Einkommens bei Bezug der Erwerbsminderungsrente ist selbst mit dem Zuverdienst recht gering. Wenn Du es Dir leisten kannst, solltest Du daher zusätzlich über eine private Unfall-, Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsversicherung nachdenken.